Brauchtum: Unterschied zwischen den Versionen

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Schlimme Auswüchse erfuhr der '''Aberglaube''' mit der Hexenverfolgung die leider auch für unseren Raum für die Jahre 1583 und 1656 dokumentiert ist.


Zum lokalen '''Brauchtum''' sind sicher Gedenktage zu zählen: In '''[[Lüntorf]]''' z.B. wurde seit 1883 bis mindestens in die 1950er Jahre am 16. Juli jeden Jahres ein Hagefeiertag begangen, arbeitsfrei und  mit Gottesdienst zum Gedenken an ein Hagelunwetter das am 16.7.1882 die gesamte Ernte des Dorfes vernichtet hat. Ebenso wurde nach dem verheerenden Brand in '''[[Börry]]''' am 19. August 1748 bei dem große Teile des Dorfes niederbrannten über mehr als 200 Jahre jährlich diesem Ereignis gedacht. Zunächst  jeweils am Montag nach dem 10. Sonntag nach Trinitatis und mit Rücksicht auf die Erntezeit seit 1890  an jedem zweiten Montag im Juli des Brandes gedacht.Bei dem Großbrand starben damals drei Einwohner und etwa 2/3 des Dorfes brannte ab. Die [[Latferde|'''Latferder''']] hatten sich diesem Brandtag angeschlossen nach dem es 1784 auch dort zu einem Großfeuer kam dem mehrere Höfe zu Opfer fielen und auch in '''[[Bessinghausen]]''' wurde der Tag begangen.
Zum lokalen '''Brauchtum''' sind sicher Gedenktage zu zählen: In '''[[Lüntorf]]''' z.B. wurde seit 1883 bis mindestens in die 1950er Jahre am 16. Juli jeden Jahres ein Hagefeiertag begangen, arbeitsfrei und  mit Gottesdienst zum Gedenken an ein Hagelunwetter das am 16.7.1882 die gesamte Ernte des Dorfes vernichtet hat. Ebenso wurde nach dem verheerenden Brand in '''[[Börry]]''' am 19. August 1748 bei dem große Teile des Dorfes niederbrannten über mehr als 200 Jahre jährlich diesem Ereignis gedacht. Zunächst  jeweils am Montag nach dem 10. Sonntag nach Trinitatis und mit Rücksicht auf die Erntezeit seit 1890  an jedem zweiten Montag im Juli des Brandes gedacht.Bei dem Großbrand starben damals drei Einwohner und etwa 2/3 des Dorfes brannte ab. Die [[Latferde|'''Latferder''']] hatten sich diesem Brandtag angeschlossen nach dem es 1784 auch dort zu einem Großfeuer kam dem mehrere Höfe zu Opfer fielen und auch in '''[[Bessinghausen]]''' wurde der Tag begangen.


Schlimme Auswüchse erfuhr der '''Aberglaube''' mit der Hexenverfolgung die leider auch für unseren Raum für die Jahre 1583 und 1656 dokumentiert ist.
Ein Text aus dem Jahr 1908 befasst sich sehr ausführlich mit dem '''[[Großbrand in Börry]]'''.
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|'''Es kann vor Nacht leicht anders werden!'''
Wer die Hauptstraße des Dorfes Börry entlang geht und sich aufmerksam umschaut wird die Beobachtung machen, dass fast alle Wohnhäuser, die Ihre Giebel der Straße zukehren eine merkwürdige Übereinstimmung in der Bauart und in der Erhaltung zeigen. Und der Schluss, den man daraus ziehen möchte, dass sie alle zu der selben zeit und demselben Plane gebaut sind, ist tatsächlich richtig. Als Erbauungsjahr ist durchweg in den Längsbalken über der großen Dielentür das Jahr 1749 eingeschnitten. Denn im vorhergehenden Jahre 1748 hatte das Ereignis stattgefunden, welches zu den zahlreichen Neubauten Anlass gab: Der große Brand von Börry, durch welchen an einem Tage 42 Hauptwohnungen, 6 Speicher und 27 Scheunen nebst den Stallungen in Asche gelegt wurden! Diese schwere Heimsuchung, welche aufs neue die Wahrheit des frommen Mahnwortes beweist:
 
„Es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am Morgen war!“
 
- ist nicht wieder aus dem Gedächtnis der Einwohner von Börry geschwunden; Der jährliche Brandtag hält die Erinnerung daran frisch. An diesem Tage, der jetzt am 2. Montage im Juli gehalten wird, hört die Gemeinde alljährlich von der Kanzel die Beschreibung des großen Unglücks. Manche Einzelheiten werden außerdem noch im Dorfe erzählt. Daraus fügt sich ein anschauliches Bild jenes Schreckenstages zusammen.
 
„Heiter begann für das Dorf Börry der 19. August des Jahres 1748 mit schönem Sonnenaufgange, der bei dem herrlichen Ostwinde Standwetter verhieß. Frisch begaben sich die Einwohner an ihr Tagewerk: etliche Handwerker in ihre Werkstatt, die meisten aber auf dem Acker, von dem noch ein Teil des bescherten Erntesegens einzuholen war. Der größte Teil war bei dem guten Erntewetter aber eingebracht und die Leute freuten sich über die reichliche Ernte. In einem Hause - es war ein Kötnerhaus - war Trauer: die jung verheiratete Hausfrau hatte Nachricht bekommen, dass ihr Bruder, der beim „Volke“ diente, plötzlich gestorben sei. Darum sollte sie grade am 19. August nach Hameln gehen, um sich Trauerzeug zu kaufen. Sie trat auch in der Frühe den weiten Weg an. Ach sie ahnte nicht, wie sie das Dorf und ihr Haus am Abend bei ihrer Rückkehr finden würde.
 
Eine andere, die Hausfrau des Drechslers Fischer, später vormittags mit Brotbacken beschäftigt. Der Backofen war geheizt; der fertige Teig wurde eingeschoben; nach gehöriger Zeit war das Brot, das erste aus dem neuen Roggen, fertig und wurde herausgezogen. Vor dem Einschieben des Brotes aber waren die ausgebrannten, noch glühenden Holzkohlen herausgekommen und in einen eisernen Topf getan. Den brachte die Hausfrau vom Backofen nach dem nahe gelegenen Wohnhause, um die Kohlen noch auf dem Herde zu verwenden. Aber unterdessen hatte sich der Wind aufgemacht; er war sogar zum Sturm geworden, der vom Ith her in kurzen Stößen die Dorfstraße hinabwehte. Ein solch heftiger Windstoß fuhr in das Kohlengefäß und wirbelte ein Kohlenfünkchen in die Höhe. Das fiel auf das durch die lange Sommerglut völlig ausgedörrte Strohdach des Wohnhauses. Sofort schlug eine Flamme auf der Sturm heulte dazu ein schaurig Lied, und schneller, als man denken konnte, stand das ganze Hausdach in hellen Flammen. Und immer stärker heulte der Sturm; schon hatte die Glut auf das westliche Nachbarhaus übergegriffen - es war die Rüsterei und die Schule und bald brannte auch das östliche Nachbarhaus und schon nach kurzer zeit brannten zwei Häuser gegenüber! Überall hörte man angstvolles Geschrei. Versuche zur Dämpfung des Feuers und Rettung der Habe waren bei dem Fehlen von Löschwerkzeugen vergeblich. Das Vieh brüllte in den Ställen und riss in wahnsinniger Angst an den Ketten! Die Speicher, gefüllt mit Roggengarben, loderten auf! Die Strohdächer barsten auseinander, und das brennende Stroh versperrte in drei brennenden Häusern, drei Menschen den Ausgang, dass diese elendig umkommen mussten. Das waren Balthasar Rogge, ein neunzigjähriger hilfloser greis, der mit samt seiner Lagerstatt von dem Feuer verzehrt wurde; das Söhnlein Gerhard, welchen seine Mutter vergeblich zu retten versuchte, als das Kind, um sein Spielzeug zu bergen, unbemerkt noch einmal ins Haus gelaufen war, - und endlich eine Witwe Johanne Fricke, die von einem herabstürzenden, brennenden Balken erschlagen wurde.
 
Unterdessen waren die Männer von den Äckern herbeigeeilt. Aber sie mussten, im Dorfe bald angekommen, bald einsehen, dass Rettung nicht möglich war. Denn der Sturm war zum Orkan geworden! Brennende Strohgarben und Brennende Speckseiten flogen, wie aus einer Kanone geschossen, durchs Dorf und zündeten entfernt liegende Häuser an. So flog eine Speckseite vom äußersten Weltende und setzte den Worth Graven Hof in Flammen! Auf der Hauptdorfstraße war bei der unerträglichen Glut des Bleibens nicht mehr; die Leute flüchteten nach dem unteren Dorfe und auf die Anhöhen und starrten tränenden Blickes in den lodernden Greuel der Verwüstung. Die meisten hatten nicht mehr gerettet, als was sie auf dem Leibe trugen, und viele waren über das Schicksal eines oder mehrerer Angehörigen im Ungewissen. Als der Abend kam und die Nacht des 19. August herabsank, da war sie für Börry nicht dunkel. Der Feuerschein der brennenden Wohnstätten hatte die Nacht zum Tage gewandelt! In der Nacht schliefen nur die ganz kleinen Kinder im Dorfe, alle anderen blieben wach, angstvoll fragend: was will das werden?
 
Am Spätnachmittage war jene junge Hausfrau aus Hameln zurückgekehrt. Schon in Ohsen hatten Sie ihr gesagt: „ In Börry brennt’s!“ In Latferde ward ihr die Kunde: „Ganz Börry brennt.“ Da eilte Sie, was ihre Kräfte noch vermochten, nach Hause. Auch Sie fand nur die Stätte da ihr Heim gestanden, und auf der Stätte war ein rauchender Trümmerhaufen. „Wo ist unser Kind, unsere Rieke?“ fragte sie angstvoll ihren Mann. Da ergab es sich, dass das zweijährige kleine Mädchen nirgends zu finden war und ebenso wenig die Magd. Was für eine Nacht mag das für die arme Mutter gewesen sein! Am nächsten Vormittage aber wurde Sie getröstet. Denn man fand beide, die Magd und das Kind, dicht bei der Oberen Mühle am Ilsebache unter einem dichten Busche liegend und friedlich schlafend! Dahin war die Magd in ihrer Angst geflüchtet, hatte aber in Treue, das ihr anvertraute Kind ihrer Herrschaft mitgenommen und dann war Sie, müde durch all ihre Schrecken, still eingeschlummert!
 
Die nächsten Tage waren noch immer schrecklich für die armen Abgebrannten. Sie irrten verstört im Dorfe umher und suchten in der erkalteten Asche nach dem Reste ihrer Habe. Aber zugleich durften Sie auch freundliche Trost und bürgerliche Hilfe erfahren. Die verschont gebliebenen Dorfbewohner nahmen die Abgebrannten in Ihren Häusern auf und fingen an, da an Wiederaufbau in diesem Jahre nicht mehr zu denken war, leere Scheunen notdürftig für den Winteraufenthalt herzurichten. Denn es war in den alten Bauernhäusern damals sehr wenig Platz; Die meisten hatten nur eine Stube und zwei Kammern und dann noch einen Verschlag unter der Treppe, die von der Großen Diele nach oben führte. Über den ersten Versuchen, sich notdürftig einzurichten, war der Sonntag herangekommen, der 11. nach Trinitatis. Die Gemeindemitglieder drängten sich in beiden Kirchen des Ortes, in der Oberen und in der Niederen Kirche, um den Trost aus Gottes Wort in ihrem großen Leide zu hören. Und das sie den gerechten Trost bekommen und angenommen haben, zeigt der alsbald gefasste Beschluss der beiden Gemeinden, künftighin den Schreckenstag als Brandtag kirchlich zu begehen. Das wurde ihnen auch genehmigt, und es wurde bestimmt, dass an diesem Tage alle Arbeit ruhen und die Hirten die Herde erst nach beendigtem Nachmittagsgottesdienste austreiben sollte.
 
Der damalige Superintendent aber, Christian Johannes Miering, und der Amtmann zu Grohnde erlangten es durch mehrfache Bittschriften, dass auf Befehl Gr. Maj. Georg II. für die armen Abgebrannten eine Hauskollekte in den Fürstentümern Calenberg und Göttingen eingesammelt werden durfte, welche einen namhaften Betrag einbrachte und den Leuten über den schweren Winter hinweg half. Im folgenden Frühjahr erhob sich ein eifriges Schaffen und Wirken im Dorfe, und im Herbste konnten die neuen Häuser, welche statt der Strohdächer mit Sollinger Platten gedeckt waren, bezogen werden. Da hat es in vielen Herzen geklungen: „Gelobet sei der Herr täglich; Er legt uns eine Last auf, aber er hilft auch!“
 
Von Anfang an hatte die eingepfarrte Ortschaft Bessinghausen den Brandtag mitgefeiert, auch ohne dass sie seit Menschengedenken von Feuerbrand heimgesucht war. Sie möge aber wissen, dass sie unbewusst die langen Jahre Gott dem Herrn gedankt hat.
 
Darauf weist hin eine Notiz im alten Statutenbuch der Stadt Hameln, sonst der „Donat“ genannt (f. Meinardus, Urkundenbuch S. 586), in welchem es heißt: „ Anno Domini 1419. Des andern Donredages (Donnerstages) in den vasten (Fastenzeit) do quam (kam) Dyderik van Halle vor den rad (Rat der Stadt Hameln) unde dede witlik (tat zu wissen), do Bessyngeshausen brande do worde dar syn (sein) ingheseghel (Siegel) ghevunden unde dat hedde (hätte)Wulver van dem Werdere (=Insel, wahrscheinlich Bodenwerder) unde bad (bat) des (deswegen) den rad bedecktich wesen (vorsichtig zu sein) - Es mag sein, dass dieser Diedrich von Halle in Bessinghausen den Hof besessen hat, den später die v. Stramm und v. Struve in Besitz bekommen haben und zu welchem 1618 der Kirchenmeierhof hinzukam (beide seit 1692 Sporleder’scher Besitz). Vielleicht hat er sich 1419 grade auf seinem Hofe aufgehalten, als ganz Bessinghausen in Brand geriet und hat sich nur in Eile unter Zurücklassung seines Siegels retten können, vor dessen Gebrauch durch unbefugte er dann den Rat der Stadt Hameln warnen musste.
 
 
Auch die dritte (teilweise) nach Oberbörry eingepfarrte Ortschaft Latferde, hat von 1784 ab den Brandtag mitgefeiert. Denn in diesem Jahre „entstand“, wie es in der alten Abkündigung lautet, „den 7. Januar, Abends 11 Uhr daselbst eine Feuersbrunst, welche umso gefährlicher hätte werden können, da bei furchtbarer Kälte alle Wasser zugefroren waren. Man musste die Weser aufhacken. Indessen fand sich glücklicherweise eine Wasserlake auf Christoph Zeddies Hofe, wodurch die Löschung möglich wurde. Es brannte außer Johann Heinrich Böhmann’s Hause, worin das Feuer ausgebrochen war, der Köhler’sche Meierhof und Christoph Zeddies Scheune ab.“ -
 
 
'''Auf den Schreckenstag von Börry weisen viele Hausinschriften.'''
 
Auf dem Tor- Querbalken des ehemaligen Köhler’schen Hofes (jetziger Besitzer: L. Grave) liest man:
 
„das Vorige ist verbrannt, steht nun wieder in Gottes Hand!
 
Hans Köhler. Katrina Elisabeth. Anno 1749.“
 
 
Das dem Bäckermeister E. Hinrichs gehörende Haus kündet:
 
„Ach Gott du lieber Vater mein,
 
„Mein Haus in deiner Macht soll sein!
 
„Gib deinen Segen allezeit,
 
„Oh Vater der Barmherzigkeit!“
 
 
Schräg gegenüber am Meierschen Hause kündet:
 
„Wer Jesus liebt und fest vertraut,
 
„ hat hier und ewig wohl gebaut
 
„ im Himmel und auf Erden!“
 
„der Herr hats gegeben; der Herr hats genommen;
 
der Name des Herrn sei gelobt!“
 
 
Die ausführlichste Inschrift ist die des W. Köhlerschen, früher Schaperlichen Hauses:
 
„Erbaue was zerstöret
 
„Und was die Glut verheeret;
 
„Ersetze diesem Brand!
 
„ So wollen wir von neuem
 
„uns deiner Güte freuen,
 
„So freuet sich das ganze Land!“
 
„Ich gehe aus und ein
 
„und niemand weiß wie, wie lang,
 
„Als Gott allein!“
 
Ja unsere frommen Vorväter haben es gewusst und beherzigt:
 
 
'''„Es kann vor Nacht leicht anders werden, „als es am frühen Morgen war!“'''
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Version vom 5. August 2024, 18:11 Uhr

Aberglaube und Brauchtum

Heute fast aus unserem Blickfeld verschwunden, nahm das Brauchtum ebenso wie der Aberglaube früher breiten Raum im Leben unserer Vorfahren ein.


Schlimme Auswüchse erfuhr der Aberglaube mit der Hexenverfolgung die leider auch für unseren Raum für die Jahre 1583 und 1656 dokumentiert ist.

Zum lokalen Brauchtum sind sicher Gedenktage zu zählen: In Lüntorf z.B. wurde seit 1883 bis mindestens in die 1950er Jahre am 16. Juli jeden Jahres ein Hagefeiertag begangen, arbeitsfrei und mit Gottesdienst zum Gedenken an ein Hagelunwetter das am 16.7.1882 die gesamte Ernte des Dorfes vernichtet hat. Ebenso wurde nach dem verheerenden Brand in Börry am 19. August 1748 bei dem große Teile des Dorfes niederbrannten über mehr als 200 Jahre jährlich diesem Ereignis gedacht. Zunächst jeweils am Montag nach dem 10. Sonntag nach Trinitatis und mit Rücksicht auf die Erntezeit seit 1890 an jedem zweiten Montag im Juli des Brandes gedacht.Bei dem Großbrand starben damals drei Einwohner und etwa 2/3 des Dorfes brannte ab. Die Latferder hatten sich diesem Brandtag angeschlossen nach dem es 1784 auch dort zu einem Großfeuer kam dem mehrere Höfe zu Opfer fielen und auch in Bessinghausen wurde der Tag begangen.

Ein Text aus dem Jahr 1908 befasst sich sehr ausführlich mit dem Großbrand in Börry.

Es kann vor Nacht leicht anders werden!

Wer die Hauptstraße des Dorfes Börry entlang geht und sich aufmerksam umschaut wird die Beobachtung machen, dass fast alle Wohnhäuser, die Ihre Giebel der Straße zukehren eine merkwürdige Übereinstimmung in der Bauart und in der Erhaltung zeigen. Und der Schluss, den man daraus ziehen möchte, dass sie alle zu der selben zeit und demselben Plane gebaut sind, ist tatsächlich richtig. Als Erbauungsjahr ist durchweg in den Längsbalken über der großen Dielentür das Jahr 1749 eingeschnitten. Denn im vorhergehenden Jahre 1748 hatte das Ereignis stattgefunden, welches zu den zahlreichen Neubauten Anlass gab: Der große Brand von Börry, durch welchen an einem Tage 42 Hauptwohnungen, 6 Speicher und 27 Scheunen nebst den Stallungen in Asche gelegt wurden! Diese schwere Heimsuchung, welche aufs neue die Wahrheit des frommen Mahnwortes beweist:

„Es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am Morgen war!“

- ist nicht wieder aus dem Gedächtnis der Einwohner von Börry geschwunden; Der jährliche Brandtag hält die Erinnerung daran frisch. An diesem Tage, der jetzt am 2. Montage im Juli gehalten wird, hört die Gemeinde alljährlich von der Kanzel die Beschreibung des großen Unglücks. Manche Einzelheiten werden außerdem noch im Dorfe erzählt. Daraus fügt sich ein anschauliches Bild jenes Schreckenstages zusammen.

„Heiter begann für das Dorf Börry der 19. August des Jahres 1748 mit schönem Sonnenaufgange, der bei dem herrlichen Ostwinde Standwetter verhieß. Frisch begaben sich die Einwohner an ihr Tagewerk: etliche Handwerker in ihre Werkstatt, die meisten aber auf dem Acker, von dem noch ein Teil des bescherten Erntesegens einzuholen war. Der größte Teil war bei dem guten Erntewetter aber eingebracht und die Leute freuten sich über die reichliche Ernte. In einem Hause - es war ein Kötnerhaus - war Trauer: die jung verheiratete Hausfrau hatte Nachricht bekommen, dass ihr Bruder, der beim „Volke“ diente, plötzlich gestorben sei. Darum sollte sie grade am 19. August nach Hameln gehen, um sich Trauerzeug zu kaufen. Sie trat auch in der Frühe den weiten Weg an. Ach sie ahnte nicht, wie sie das Dorf und ihr Haus am Abend bei ihrer Rückkehr finden würde.

Eine andere, die Hausfrau des Drechslers Fischer, später vormittags mit Brotbacken beschäftigt. Der Backofen war geheizt; der fertige Teig wurde eingeschoben; nach gehöriger Zeit war das Brot, das erste aus dem neuen Roggen, fertig und wurde herausgezogen. Vor dem Einschieben des Brotes aber waren die ausgebrannten, noch glühenden Holzkohlen herausgekommen und in einen eisernen Topf getan. Den brachte die Hausfrau vom Backofen nach dem nahe gelegenen Wohnhause, um die Kohlen noch auf dem Herde zu verwenden. Aber unterdessen hatte sich der Wind aufgemacht; er war sogar zum Sturm geworden, der vom Ith her in kurzen Stößen die Dorfstraße hinabwehte. Ein solch heftiger Windstoß fuhr in das Kohlengefäß und wirbelte ein Kohlenfünkchen in die Höhe. Das fiel auf das durch die lange Sommerglut völlig ausgedörrte Strohdach des Wohnhauses. Sofort schlug eine Flamme auf der Sturm heulte dazu ein schaurig Lied, und schneller, als man denken konnte, stand das ganze Hausdach in hellen Flammen. Und immer stärker heulte der Sturm; schon hatte die Glut auf das westliche Nachbarhaus übergegriffen - es war die Rüsterei und die Schule und bald brannte auch das östliche Nachbarhaus und schon nach kurzer zeit brannten zwei Häuser gegenüber! Überall hörte man angstvolles Geschrei. Versuche zur Dämpfung des Feuers und Rettung der Habe waren bei dem Fehlen von Löschwerkzeugen vergeblich. Das Vieh brüllte in den Ställen und riss in wahnsinniger Angst an den Ketten! Die Speicher, gefüllt mit Roggengarben, loderten auf! Die Strohdächer barsten auseinander, und das brennende Stroh versperrte in drei brennenden Häusern, drei Menschen den Ausgang, dass diese elendig umkommen mussten. Das waren Balthasar Rogge, ein neunzigjähriger hilfloser greis, der mit samt seiner Lagerstatt von dem Feuer verzehrt wurde; das Söhnlein Gerhard, welchen seine Mutter vergeblich zu retten versuchte, als das Kind, um sein Spielzeug zu bergen, unbemerkt noch einmal ins Haus gelaufen war, - und endlich eine Witwe Johanne Fricke, die von einem herabstürzenden, brennenden Balken erschlagen wurde.

Unterdessen waren die Männer von den Äckern herbeigeeilt. Aber sie mussten, im Dorfe bald angekommen, bald einsehen, dass Rettung nicht möglich war. Denn der Sturm war zum Orkan geworden! Brennende Strohgarben und Brennende Speckseiten flogen, wie aus einer Kanone geschossen, durchs Dorf und zündeten entfernt liegende Häuser an. So flog eine Speckseite vom äußersten Weltende und setzte den Worth Graven Hof in Flammen! Auf der Hauptdorfstraße war bei der unerträglichen Glut des Bleibens nicht mehr; die Leute flüchteten nach dem unteren Dorfe und auf die Anhöhen und starrten tränenden Blickes in den lodernden Greuel der Verwüstung. Die meisten hatten nicht mehr gerettet, als was sie auf dem Leibe trugen, und viele waren über das Schicksal eines oder mehrerer Angehörigen im Ungewissen. Als der Abend kam und die Nacht des 19. August herabsank, da war sie für Börry nicht dunkel. Der Feuerschein der brennenden Wohnstätten hatte die Nacht zum Tage gewandelt! In der Nacht schliefen nur die ganz kleinen Kinder im Dorfe, alle anderen blieben wach, angstvoll fragend: was will das werden?

Am Spätnachmittage war jene junge Hausfrau aus Hameln zurückgekehrt. Schon in Ohsen hatten Sie ihr gesagt: „ In Börry brennt’s!“ In Latferde ward ihr die Kunde: „Ganz Börry brennt.“ Da eilte Sie, was ihre Kräfte noch vermochten, nach Hause. Auch Sie fand nur die Stätte da ihr Heim gestanden, und auf der Stätte war ein rauchender Trümmerhaufen. „Wo ist unser Kind, unsere Rieke?“ fragte sie angstvoll ihren Mann. Da ergab es sich, dass das zweijährige kleine Mädchen nirgends zu finden war und ebenso wenig die Magd. Was für eine Nacht mag das für die arme Mutter gewesen sein! Am nächsten Vormittage aber wurde Sie getröstet. Denn man fand beide, die Magd und das Kind, dicht bei der Oberen Mühle am Ilsebache unter einem dichten Busche liegend und friedlich schlafend! Dahin war die Magd in ihrer Angst geflüchtet, hatte aber in Treue, das ihr anvertraute Kind ihrer Herrschaft mitgenommen und dann war Sie, müde durch all ihre Schrecken, still eingeschlummert!

Die nächsten Tage waren noch immer schrecklich für die armen Abgebrannten. Sie irrten verstört im Dorfe umher und suchten in der erkalteten Asche nach dem Reste ihrer Habe. Aber zugleich durften Sie auch freundliche Trost und bürgerliche Hilfe erfahren. Die verschont gebliebenen Dorfbewohner nahmen die Abgebrannten in Ihren Häusern auf und fingen an, da an Wiederaufbau in diesem Jahre nicht mehr zu denken war, leere Scheunen notdürftig für den Winteraufenthalt herzurichten. Denn es war in den alten Bauernhäusern damals sehr wenig Platz; Die meisten hatten nur eine Stube und zwei Kammern und dann noch einen Verschlag unter der Treppe, die von der Großen Diele nach oben führte. Über den ersten Versuchen, sich notdürftig einzurichten, war der Sonntag herangekommen, der 11. nach Trinitatis. Die Gemeindemitglieder drängten sich in beiden Kirchen des Ortes, in der Oberen und in der Niederen Kirche, um den Trost aus Gottes Wort in ihrem großen Leide zu hören. Und das sie den gerechten Trost bekommen und angenommen haben, zeigt der alsbald gefasste Beschluss der beiden Gemeinden, künftighin den Schreckenstag als Brandtag kirchlich zu begehen. Das wurde ihnen auch genehmigt, und es wurde bestimmt, dass an diesem Tage alle Arbeit ruhen und die Hirten die Herde erst nach beendigtem Nachmittagsgottesdienste austreiben sollte.

Der damalige Superintendent aber, Christian Johannes Miering, und der Amtmann zu Grohnde erlangten es durch mehrfache Bittschriften, dass auf Befehl Gr. Maj. Georg II. für die armen Abgebrannten eine Hauskollekte in den Fürstentümern Calenberg und Göttingen eingesammelt werden durfte, welche einen namhaften Betrag einbrachte und den Leuten über den schweren Winter hinweg half. Im folgenden Frühjahr erhob sich ein eifriges Schaffen und Wirken im Dorfe, und im Herbste konnten die neuen Häuser, welche statt der Strohdächer mit Sollinger Platten gedeckt waren, bezogen werden. Da hat es in vielen Herzen geklungen: „Gelobet sei der Herr täglich; Er legt uns eine Last auf, aber er hilft auch!“

Von Anfang an hatte die eingepfarrte Ortschaft Bessinghausen den Brandtag mitgefeiert, auch ohne dass sie seit Menschengedenken von Feuerbrand heimgesucht war. Sie möge aber wissen, dass sie unbewusst die langen Jahre Gott dem Herrn gedankt hat.

Darauf weist hin eine Notiz im alten Statutenbuch der Stadt Hameln, sonst der „Donat“ genannt (f. Meinardus, Urkundenbuch S. 586), in welchem es heißt: „ Anno Domini 1419. Des andern Donredages (Donnerstages) in den vasten (Fastenzeit) do quam (kam) Dyderik van Halle vor den rad (Rat der Stadt Hameln) unde dede witlik (tat zu wissen), do Bessyngeshausen brande do worde dar syn (sein) ingheseghel (Siegel) ghevunden unde dat hedde (hätte)Wulver van dem Werdere (=Insel, wahrscheinlich Bodenwerder) unde bad (bat) des (deswegen) den rad bedecktich wesen (vorsichtig zu sein) - Es mag sein, dass dieser Diedrich von Halle in Bessinghausen den Hof besessen hat, den später die v. Stramm und v. Struve in Besitz bekommen haben und zu welchem 1618 der Kirchenmeierhof hinzukam (beide seit 1692 Sporleder’scher Besitz). Vielleicht hat er sich 1419 grade auf seinem Hofe aufgehalten, als ganz Bessinghausen in Brand geriet und hat sich nur in Eile unter Zurücklassung seines Siegels retten können, vor dessen Gebrauch durch unbefugte er dann den Rat der Stadt Hameln warnen musste.


Auch die dritte (teilweise) nach Oberbörry eingepfarrte Ortschaft Latferde, hat von 1784 ab den Brandtag mitgefeiert. Denn in diesem Jahre „entstand“, wie es in der alten Abkündigung lautet, „den 7. Januar, Abends 11 Uhr daselbst eine Feuersbrunst, welche umso gefährlicher hätte werden können, da bei furchtbarer Kälte alle Wasser zugefroren waren. Man musste die Weser aufhacken. Indessen fand sich glücklicherweise eine Wasserlake auf Christoph Zeddies Hofe, wodurch die Löschung möglich wurde. Es brannte außer Johann Heinrich Böhmann’s Hause, worin das Feuer ausgebrochen war, der Köhler’sche Meierhof und Christoph Zeddies Scheune ab.“ -


Auf den Schreckenstag von Börry weisen viele Hausinschriften.

Auf dem Tor- Querbalken des ehemaligen Köhler’schen Hofes (jetziger Besitzer: L. Grave) liest man:

„das Vorige ist verbrannt, steht nun wieder in Gottes Hand!

Hans Köhler. Katrina Elisabeth. Anno 1749.“


Das dem Bäckermeister E. Hinrichs gehörende Haus kündet:

„Ach Gott du lieber Vater mein,

„Mein Haus in deiner Macht soll sein!

„Gib deinen Segen allezeit,

„Oh Vater der Barmherzigkeit!“


Schräg gegenüber am Meierschen Hause kündet:

„Wer Jesus liebt und fest vertraut,

„ hat hier und ewig wohl gebaut

„ im Himmel und auf Erden!“

„der Herr hats gegeben; der Herr hats genommen;

der Name des Herrn sei gelobt!“


Die ausführlichste Inschrift ist die des W. Köhlerschen, früher Schaperlichen Hauses:

„Erbaue was zerstöret

„Und was die Glut verheeret;

„Ersetze diesem Brand!

„ So wollen wir von neuem

„uns deiner Güte freuen,

„So freuet sich das ganze Land!“

„Ich gehe aus und ein

„und niemand weiß wie, wie lang,

„Als Gott allein!“

Ja unsere frommen Vorväter haben es gewusst und beherzigt:


„Es kann vor Nacht leicht anders werden, „als es am frühen Morgen war!“



Bibliographie:

  • Fricke, Hermann, Tod und Begräbnis im Brauchtum und Aberglauben, Klüt 1951
  • Fricke, Hermann, Brauchtum um die Hochzeit, Der Klüt 1952
  • Gemeinde Emmerthal (Hg.), Aberglaube, Zauberei und Volksmedizin, Schriftenreihe des hist. Archivs, Band 4, Emmerthal 2010 [Hexenprozesse von Ohsen u.a.]
  • Hölscher, Cord, Von "Auszehrung" bis "Zahnweh" - Rezeptbuch von 1801 enthält wunderliche Anleitungen zur Bekämpfung von Krankheiten bei Tier und Mensch, in: DWZ v. 14.9.2019
  • Kater, Dr. Herbert, Im Turm der Burg Ohsen warteten die "Hexen" auf ihren Tod, in: DWZ v. 5.10.1991
  • Kyrieleis, Dr. Richard, Osterbräuche unserer Heimat, Der Klüt 1930
  • Oppermann, Dr. Moritz, Vom Osterwasserholen, über Brauchtum und Sinn im Bückebergkreis, Der Klüt, 19. Jg, 1941
  • Tinnappel-Becker, Aberglaube macht kräuterkundige Frauen zu Hexen - Karolingische Gesetze bildeten die Grundlage für die Hexenverfolgung, in: DWZ v. 8.7.1989
  • Waldhoff, Johannes: Die Emmer: Landschaft - Geschichte - Volkstum; 1976 - 1986, 10 Jahre Heimatverein Steinheim e.V. - Steinheim, 1986, S. 151ff. [Grenzbeziehung in Emmern]
  • o.V., Gewitterspruch aus Niedersachsen, Der Klüt 1927
  • o.V., Brandtag in Latferde, in: Dewezet v. 12.7.1937
  • o.V., Am Montag ruht die Arbeit, in: Dewezet v. 14.7.1951 [Hagelfeiertag in Lüntorf]
  • -sch, Emmerns Grenzen in Ordnung - 59 Neulinge getauft - "Staftaten" fanden ihre Sühne, in: Dewezet v. 19.7.1950 [Grenzbeziehung Emmern]
  • scr, Großbrand legte einst fast ganz Börry in Asche - Im Ort wird nach 250 Jahren Brandtag-Feier vorbereitet, In: Dewezet v. 18.8.1998
  • scr, An flammendes Inferno mit Gottesdienst errinnert - Brandgedächtnisfeier in Börry erinnerte an Schadensfeuer von 1749 [sic!)], in: Dewezet v. 1.9.1998
  • Wei., Nicht lachen beim Osterwasserholen, in: DWZ v. 21.4.1973


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